Als ob gerade Hochsaison im Beach-Volleyball wäre. Der Terminplan von Anouk und Zoé Vergé-Dépré ist randvoll. Die Saison ist vorbei, die letzten Bälle sind übers Netz geflogen und dennoch ist der Tagesablauf streng getaktet, weil es viele administrative Angelegenheiten zu erledigen gibt. Trotzdem ist es uns gelungen, mit den Schwestern einen Gesprächstermin zu fixieren. Dass sie derzeit ausgelastet sind, ist verständlich. Gesucht wird ein Trainer, der die beiden zu möglichst vielen Siegen führt, und da gibt es auch diverse andere Sachen zu bewältigen, ehe im Sand wieder serviert und geblockt werden kann.
Die Beiden sind auf der Suche nach einer neuen Partnerin nach Anouks Trennung von Joana Mäder und dem Rücktritt von Zoés Mitspielerin Esmée Böbner rasch fündig geworden. Frei nach Johann Wolfgang von Goethe sagten sich Anouk und Zoé: «Warum denn in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah» und verwirklichten endlich das, was ihre Familie schon lange gehofft hatte und unter Berns Lauben seit Monaten als Gerücht kursierte. In Zukunft kämpfen sie nicht mehr gegen-, sondern miteinander. «Der Zeitpunkt konnte nie besser sein», sagen sie unisono, und so ist die Paarung Anouk / Zoé tatsächlich Wirklichkeit geworden. «Seit Jahren sind wir von allen Seiten auf diese Möglichkeit angesprochen worden, doch geklappt hat es bisher nie. Jetzt ist es der richtige Zeitpunkt», sagt Zoé. «Man darf nicht vergessen, dass wir einen Altersunterschied von sechs Jahren haben. Ein bestehendes Team aufzubrechen kam bisher nicht in Frage, doch jetzt war die Konstellation ideal. Wir haben beide viel mehr Erfahrung, unter anderem auch bei Olympischen Spielen, und wir wissen, wie wir funktionieren», ergänzt Anouk.
Die Umstellung
Für Anouk wird die neue Paarung auch eine Umstellung mit sich bringen. Nach Jahren in der Defensive wird sie wieder als Blockerin ans Netz vorrücken. Dieser Wechsel ist zwar nicht einfach, weil die Belastung mit den vielen hohen Sprüngen für die Beinmuskultur, die Knie, die Sprunggelenke und den Rücken eine andere sein wird, doch Anouk sieht dieser Veränderung mit Zuversicht entgegen. «Nach der Verletzung von Joana Mäder spielte ich abwechslungsweise als Blockerin und ging stets ans Netz. Bereits in den letzten zwei Vorbereitungsphasen habe ich auch am Block viel gearbeitet. Ich freue mich auf diese Aufgabe.» Die Schwestern, bekannt für ihre Spontaneität und Offenheit, tragen beide neuerdings Braid-Frisuren, «für mich eine Vorbereitung auf die bevorstehenden Ferien auf Guadeloupe», sagt Zoé, die der Heimat ihres Vaters demnächst einen Besuch abstatten wird.
Hohe Ziele
Zoé beendete die letzte Saison zusammen mit Esmée Böbner in der Weltrangliste mit 5900 Punkten auf Rang 13, Anouk klassierte sich mit Joana Mäder gleich dahinter auf Platz 14 mit 5860 Punkten. Dies ist deshalb nicht unwesentlich, weil Anouk und Zoé die Hälfte der Punkte, die sie in der Weltrangliste erspielt haben, ins neue Team mitnehmen und so mit 5880 Zählern auf Platz 13 in die neue Saison starten, für die sich die Schwestern bereits hohe Ziele gesteckt haben. «Bei den Weltmeisterschaften in Adelaide (Australien) wollen wir erfolgreich abschneiden, doch unser Projekt zielt auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles ab», sagt Zoé. Dort bietet sich ihr die Gelegenheit, die in Paris nach dem Aus im Viertelfinal verpasste Medaille zu gewinnen, die sich Anouk vor drei Jahren in Tokio erspielt hat. «Doch zuerst geht es in den nächsten zwei Jahren darum, unsere Team-Identität zu finden und erstmal vollen Fokus auf die Entwicklung zu setzen.»
Tennis, Pilates und Yoga
Zuerst ist bei den Vergé-Déprés nach der anstrengenden Saison sportliche Erholung angesagt. «Selbstverständlich werden wir den Körper nicht ganz gehen lassen, sondern uns mit Tennis, Pilates und Yoga fit halten. Im November beginnt dann die physische Vorbereitung und wir trainieren wieder mit Ball», sagt Anouk. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte auch geklärt sein, welche Sponsoren weiterhin dabei sind und wer neu dazu stösst und vor allem die eminent wichtige Trainerfrage beantwortet sein. «Wir haben unsere Vorstellungen und sind uns mit Swiss Volley weitgehend einig, denn das letzte Wort liegt beim Verband, der den Coach auch finanziert», so Anouk.