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Spielt YB in Zukunft noch in der Champions League, Christoph Spycher?

«Einfacher wird es nicht»

Christoph Spycher: «Die Schere zwischen grossen und kleinen Clubs geht weiter auf.» Foto: KEYSTONE/Peter Klaunzer

Natürlich soll YB auch zukünftig in der Königsklasse vertreten sein. Doch die Hürden werden höher. Die Schere zwischen grossen und kleineren Klubs tue sich weiter auf, sagt YB-Boss Christoph Spycher.

Christoph Spycher, am Montag hat YB den Trainer Raphael Wicky entlassen. Was sind die Gründe dafür?
Der Entscheid hängt mit der Entwicklung der letzten Wochen zusammen. Wir waren mit den sportlichen Leistungen nicht mehr zufrieden. Steve von Bergen führte am Sonntagabend nach der Niederlage in Zürich dann nochmals ein längeres Gespräch mit Raphael Wicky – es zeigte sich, dass Trainer und sportliche Führung andere Ansätze haben, wie YB zurück auf die Erfolgsspur zu bringen ist. In einer Situation wie dieser müssen alle vom Weg überzeugt sein. Deshalb kamen wir einvernehmlich zum Schluss, dass eine Trennung die beste Lösung ist.

Was meinen Sie mit verschiedenen Ansätzen?
Man muss nicht immer zwingend einer Meinung sein, unterschiedliche Denkweisen können bereichernd wirken. Doch wir hatten in letzter Zeit in wichtigen Punkten unterschiedliche Auffassungen, rein nüchtern betrachtet. Auf Details möchte ich nicht eingehen.

Kam die Entlassung nicht zu spät? Die Formkurve zeigte bereits seit Anfang Jahr nach unten.
Im Nachhinein ist man immer klüger: Was, wenn wir im Cup ausgeglichen hätten und noch weitergekommen wären, wenn wir gegen den FCZ ein Unentschieden geholt hätten … nach drei Niederlagen in Serie ist es einfach zu sagen, wir hätten zu spät reagiert. Fakt ist: Die Niederlage in Sion hat uns enorm weh getan.

Ist Raphael Wicky nicht auch ein bisschen das Opfer einer Situation, für die er wenig kann? Ulisses Garcia, Jean-Pierre Nsame und Donat Rrudhani sind weg, hinzu kommen die Verletzungen der Leaderfiguren Loris Benito und Filip Ugrinic.
Für die aktuelle Situation sind verschiedene Faktoren verantwortlich. Wir sagen auf keinen Fall, Raphael Wicky habe alles falsch und die sportliche Führung alles richtig gemacht. Für Garcia zum Beispiel haben wir Jaouen Hadjam geholt, einen 20-jährigen Spieler mit viel Potenzial, der aber natürlich Zeit braucht. Das ist der Weg von YB und wird er auch bleiben. Wir glauben an jene, die hier sind und schenken ihnen unser vollstes Vertrauen.

Joël Magnin übernimmt nun bis Ende Saison. Ist ein längerfristiges Engagement möglich, sollten die Resultate stimmen?
Nein, Joël bleibt nur bis Sommer, danach werden er sowie Gérard Castella als Ausbildungschef auf ihre angestammten Positionen zurückkehren. Das haben wir so vereinbart. Für die nächste Saison suchen wir einen neuen Cheftrainer.

Trotz der Resultatkrise steht YB nach wie vor auf Platz eins der Tabelle. Im Tamedia-Podcast «Dritte Halbzeit» wurde indes vor kurzem darüber spekuliert, dass YB nur deshalb so gut sei, weil die Konkurrenz schwächle. Wäre YB auch Leader, wenn der FCZ weiterhin so performen würde wie im Herbst?
Bei fünf Meistertiteln in sechs Jahren kann man nicht mehr von Zufall sprechen. Die von Ihnen genannte These hörte ich schon vor sechs Jahren, als manche behaupteten, YB sei 2018 nur Meister geworden, weil bei Basel der Umbruch stattfand. Man kann den Grund immer bei der Konkurrenz suchen. Andere Mannschaften haben ebenfalls Qualität, Yverdon etwa hat auf diese Saison hin viel Geld in sein Team investiert. Dementsprechend kann es an einem guten Tag jeden bezwingen. YB ist nicht darum so gut, weil die Konkurrenz schwächelt, sondern das Business an sich ist einfach äusserst dynamisch. Jeder Schweizer Verein hat etliche Herausforderungen zu meistern, der Abstand zu den grossen Ligen wird stetig grösser, die Umbrüche erzwungenermassen heftiger. Entsprechend macht sich hie und da ein bisschen Nervosität breit, was sich auf die Stabilität auswirkt.

Manchester City und Co. werden in Zukunft kaum schwächer. Das sind schlechte Aussichten für YB-Anhänger und für Schweizer Fans allgemein.
Einfacher wird es nicht. Dennoch wollen und müssen wir uns hohe Ziele stecken. Man hat gesehen, dass Spor ting Lissabon ein europäisches Spitzenteam ist, obwohl es nicht zu einer sogenannten Top-fünf-Liga gehört. Qualität ist nicht nur eine Frage der finanziellen Power, aber eben auch. Bereits Belgien und Holland bewegen sich auf einem ganz anderen finanziellen Level als die Super League. Höhere Saläre, höhere Transfersummen. Entsprechend haben wir tendenziell schlechtere Karten, jene Spieler zu uns zu holen, die wir gerne möchten, weil andere viel mehr bieten können.

Steht YB im Sommer ein grösserer Exodus bevor? Meschack Elia könnte den Verein verlassen, Lewin Blum vielleicht, Ali Camara ebenso.
Möglich ist vieles. Wer gut performt und Erfolg hat, ist begehrt. Nach der Meistersaison 2017/18 verliess uns fast niemand, im Sommer 2019 erfolgte dann der erste grössere Umbruch. Dieses Szenario kann eintreten, obwohl die Spieler einen laufenden Vertrag bei uns haben. Im defensiven Bereich wird es zu Abgängen kommen, die Zukunft von Fabian Lustenberger zum Beispiel ist zudem noch nicht geklärt.

Sprechen wir über Sie selbst: Sie sind seit kurzem YB-Aktionär. Ist Ihnen der Klub nun noch ein wenig wichtiger geworden als zuvor?
YB hatte stets eine enorme Bedeutung für mich, egal ob als Spieler, Talentmanager, Sportchef oder VR-Delegierter. In erster Linie war es der Wunsch der Familie Rihs, dass ich mich als Aktionär beteilige, um ein langfristiges Zeichen zu setzen. Ich gebe seit 14 Jahren mein Bestes für YB, daran wird sich nichts ändern.

Der Erfolg der Young Boys ist eng mit Ihnen verknüpft. Viele sorgen sich, es könnte mit dem Klub bergab gehen, wenn Sie einmal nicht mehr für ihn tätig sind.
Die meisten Menschen, die ich kenne, können kaum voraussagen, wo sie in fünf oder zehn Jahren stehen. Deshalb äussere ich mich zu meiner Zukunft seit jeher zurückhaltend. Klar ist: Keine Unternehmung darf von einer einzigen Person abhängig sein. Der Fussball braucht Gesichter und die Medien fokussieren sich auf diese, das verstehe ich. Bloss war es nicht so, dass dank mir plötzlich alles gut wurde. Zig Leute leisten bei YB einen fantastischen Job, gerade auch in der sportlichen Führung.

Was reizt Sie denn nebst YB noch? Die Nationalmannschaft, die Bundesliga?
Solche Gedankenspiele sind für mich zu fest Glaskugel. Ich komme jeden Tag gerne arbeiten, was enorm wichtig ist und fundamental mit jenen Menschen zu tun hat, die hier tätig sind. Was die Zukunft bringt, weiss ich nicht. Ich hatte beispielsweise nie das explizite Ziel, Verwaltungsrat von YB zu werden.

Sportlich ist die Situation aktuell gerade schwierig. Dennoch: Dürfen sich die YB-Fans auf die Zukunft freuen?
Davon bin ich überzeugt. Manche Vereine stehen im Vergleich zu uns ganz woanders. Es kann auch bei uns eine Baisse eintreten, so wie nun passiert. Wir werden allerdings weiterhin so hart wie möglich arbeiten, um Erfolg zu haben. Ich bin sicher, dass wir stabile Verhältnisse haben.

PERSÖNLICH

Christoph Spycher wurde am 30. März 1978 in Wolhusen geboren und wuchs in Köniz auf. Seine Karriere begann bei Sternenberg. Dann Bümpliz und Münsingen, ab 2001 Luzern. Mit GC wurde er 2003 Meister. Ab 2005 spielte er fünf Jahre in Frankfurt, zuletzt bis 2014 für YB; insgesamt 47 Länderspiele. Von 2016 bis 2021 war er deren Sportchef. Im Mai 2022 wurde er Mitglied der Geschäftsleitung und Delegierter Sport des Verwaltungsrats. Seit Anfang Jahr ist er Mitbesitzer des BSC YB.

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