LORIS BENITO

«Mein Rhythmus ist südeuropäisch»

Nati-Pause, zwei Wochen ohne Meisterschaftsspiel. Zeit für Erholung. YB-Captain Loris Benito spricht im Interview darüber, wie er Energie tankt. Physisch und mental. Und welche Jugendsünden er beging. 

Wie bringen Sie als Fussballprofi den Kopf frei?
Indem ich bewusst Abstand nehme. Die Nati-Pause ist so ein Moment. Man kann mal etwas anderes machen, den Kopf lüften. Manche gehen weg, andere bleiben hier. Ich nutze die Zeit vor allem für soziale Kontakte. Das gibt mir am meisten Energie. Wellness und Spa gehören auch mal dazu, aber der Austausch mit Freunden und Familie ist für mich der beste Ausgleich – das fühlt sich nach echter Regeneration an.

Was unternehmen Sie?
Nichts Spezielles: Wir gehen essen im Restaurant, machen einen Spaziergang an der Sonne, sitzen oder diskutieren einfach in Ruhe. Es muss nichts Grosses sein. Aber es tut gut, mal mit Leuten zusammenzusein, die ich im Alltag zu wenig sehe, weil unsere freien Tage oft auf Sonntag oder gar erst Montag und Dienstag fallen und dann die meisten arbeiten.

Wie sieht das an einem freien Montag aus?
Dann setze ich auf klassische Regeneration: eine Massage, ein Besuch im Solbad, vor allem im Winter. Auch mal Pilates oder eine Stretching-Einheit. Ich lege mir immer ein kleines Programm zurecht. Einfach nur daheimsitzen und nichts tun, ist nicht mein Ding – ich mag es, wenn der Tag strukturiert ist.

Wie erholen Sie sich mental?
Ich brauche auch Futter für den Kopf – nicht nur an freien Tagen. Lesen hilft mir, besonders abends vor dem Einschlafen. Zurzeit lese ich Paulo Coelho, ich mag seinen Stil. Früher habe ich viele Biografien gelesen, heute sind es meist Sachbücher. Gerade auf Reisen lese ich gerne Bücher, aus denen ich etwas mitnehmen kann. Ab und zu rutscht auch mal ein Thriller von Fitzek rein, das ist dann eher leichte Kost. 

Sie sprechen sechs Sprachen: Deutsch, Spanisch, Französisch, Englisch, Portugiesisch und Italienisch. Wo kommen die im Alltag zum Einsatz?
Vor allem in meinem privaten Umfeld, im Austausch mit Freunden. Im Team nutze ich sie ebenfalls.

Wie haben Sie all die Sprachen gelernt?
Spanisch und Deutsch daheim, Englisch und Französisch in der Schule und während der Zeit bei Girondins Bordeaux, Portugiesisch während meinem Jahr bei Benfica Lissabon und Italienisch ist da auch gleich dazu gekommen. Ich war fast rund um die Uhr mit Bryan Cristante unterwegs. Das war ein Italienisch-Crashkurs. 

Zurück zur Regeneration: Was war diesbezüglich das Unvernünftigste, das Sie als junger Spieler gemacht haben?
Ganz klar der Umgang mit Schlaf. Anfang zwanzig dachte ich, ich komme mit wenig Schlaf aus. Ich habe mich trotzdem gut gefühlt. Aber langfristig merkt man, dass das nicht nachhaltig ist. Schlaf ist die Grundlage, auch wenn das banal klingt.

Wie gehen Sie heute damit um?
Es braucht immer wieder Erinnerungen. Mein natürlicher Rhythmus ist eher südeuropäisch: spät essen, spät schlafen. In Spanien funktioniert das, hier nicht. Ich muss mich anpassen, sonst spüre ich es am nächsten Tag.

Wie sieht diese Anpassung konkret aus?
Früher ins Bett, früher essen – auch wenn es nicht mein Naturell ist. Wenn ich erst um 1 Uhr schlafe, fehlt mir die Erholung, selbst wenn wir erst um 7.30 oder 8 Uhr aufstehen müssen, was ein Privileg ist. Ich funktioniere abends besser, aber ich zwinge mich zu einem gesünderen Rhythmus.

Der Blick nach vorne: St. Gallen ist in Bern zu Gast. Wie gefestigt ist YB momentan?
Ich freue mich sehr auf diese Partie. Zum einen, weil es ein Heimspiel ist, zum anderen, weil wir deutlich gefestigter sind – trotz einzelner Ausreisser nach unten. Besonders gegen Teams, die wir in den Top 6 wieder treffen könnten, haben wir uns nach dem holprigen Start stark präsentiert.

Was stimmt Sie optimistisch?
Die Neuen wie Chris Bedia und Rayan Raveloson haben sich sehr gut integriert. Da zähle ich Christian Fassnacht nicht dazu, der brauchte keine Angewöhnungszeit. Dazu kommt, dass wir nicht mehr auf drei Hochzeiten tanzen, sondern nur noch auf zwei. Cup spielen wir nur alle paar Wochen, wir können uns also stark auf die Meisterschaft fokussieren. Das bedeutet weniger Belastung, weniger Rotation – und das hilft uns enorm.

Wie zeigt sich das?
Die Automatismen greifen besser, wir sind eingespielter und stabiler. Die Dynamik, das Feuer, das wir haben – das gefällt mir.

Wer ist für Sie Favorit auf den Titel?
Schwer zu sagen. Die Liga ist extrem ausgeglichen. Vor dem letzten Spieltag hätte ich vielleicht Servette genannt, weil sie sehr konstant waren. Aber auch sie haben gepatzt. Es gibt keinen klaren Favoriten – jeder kann jeden schlagen.

Warum ist die Liga so offen?
Das ist eine schwierige Frage. Es hängt aber sicher auch damit zusammen, dass wir einen schwachen Start hatten. Wobei es irgendwann passieren musste. Die Veränderungen im Fussball sind so gross, Spieler kommen und gehen. Da sind Serien eigentlich das Aussergewöhnliche. Die Champions League war diese Saison zudem mehr eine Bürde. Jetzt sind wir wieder an dem Punkt, an dem die Gegner sagen: Gegen YB wird es schwer.

Haben Sie schon einmal etwas Ähnliches erlebt?
Nicht in dieser Form. In Aarau rechnet niemand mit dem Titel. In Zürich hatten wir ein starkes Team aber keine explizite Titelerwartung. Bei Benfica war der Titel Pflicht – und wir haben ihn geholt. Die jetzige Situation bei YB ist für mich speziell.

Was nehmen Sie daraus mit?
Dass der Glaube alles ist. Ich habe eine Nachricht aus dem Oktober gespeichert, da waren wir Letzter. Ich schrieb damals: «Das bleibt nicht so – mit 100-prozentiger Sicherheit.» Den Glauben zu behalten, auch nach Rückschlägen, ist die grösste Herausforderung – aber auch das, was mich antreibt.

Also glauben Sie an den Meistertitel?
Ich bin ein Siegertyp. Ich will jedes Spiel gewinnen, egal ob gegen St. Gallen oder Barcelona. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit unterschiedlich ist: Ohne Glauben keine Chance. Shoot for the stars, land on the moon. (Ziele nach den Sternen, dann landest du zumindest auf dem Mond, Anm. d. Red.)

Hat der Glaube im Team gefehlt?
Wenn er immer zu 100 Prozent da gewesen wäre, wären wir wohl nicht in der Situation, in der wir uns befinden. Diesen Glauben zu vermitteln, den Glauben an eine Idee, einen Weg, das ist die grösste Herausforderung – ob im Sport oder in der Wirtschaft. 

Foto: Daniel Zaugg

PERSÖNLICH

Loris Benito wurde am 7. Januar 1992 in Aarau geboren. Sein Ligadebüt gab er am 1. November 2009 beim FC Aarau. 2012 verpflichtete ihn der FC Zürich. Zur Saison 2014/15 wechselte er zu Benfica Lissabon. Von 2015 bis 2019 spielte Benito für den BSC Young Boys. Von YB wechselte er zu Girondins Bordeaux. Nachdem Benito seit dem Sommer 2021 vereinslos gewesen war, unterschrieb er am 31. Januar 2022 einen neuen Vertrag beim Walliser Verein FC Sion. Am Ende der Saison 2021/2022 wechselt er vom FC Sion zu den BSC Young Boys. Benito lief bisher 13-mal für die Nati auf. Am 10. März 2013 wurde Benito beim Spiel zwischen dem FC Thun und dem FC Zürich von einem Steinmarder gebissen, der sich den Weg ins Stadion gesucht hatte, über das Spielfeld lief und schliesslich von Benito eingefangen wurde.

Flüstere dem Bär etwas.

In der Flüstertüte berichtet der BärnerBär immer wieder über Gerüchte aus der Hauptstadt. Du hast etwas gesehen oder gehört, von dem der Bär wissen sollte? Hier kannst Du es ihm flüstern!

Name und E-Mail-Adresse benötigen wir nur zur Korrespondenz. Diese Angaben werden wir nie veröffentlichen.

Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.
Name
Klicke oder ziehe Dateien in diesen Bereich zum Hochladen. Du kannst bis zu 2 Dateien hochladen.
Laden Sie bis zu zwei Bilder zu Ihrer Meldung hoch.

Unterstützen Sie den BärnerBär!

Für Ihre freiwillige Spende danken wir Ihnen herzlich!