Drei Tage nachdem ihre zehn Jahre jüngere Schwester Ditaji an den Europameisterschaften in Rom über 100 m Hürden die Silbermedaille gewonnen hatte, verteidigte Mujinga Kambundji ihren vor zwei Jahren in München gewonnenen 200-m-EM-Titel. Damit schaffte sie, was noch niemandem mit Schweizer Pass gelungen ist.
Einmal mehr bewies die Bernerin, dass sie immer dann zu Bestleistungen bereit ist, wenn ein wichtiges Rennen bevorsteht. Dies ist erstaunlich, weil die Vorbereitung in die Olympia-Saison alles andere als wunschgemäss verlief. Um im Hinblick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele in Paris das Verletzungsrisiko zu minimieren, hat sie sogar auf die Verteidigung ihres WM-Titels in der Halle über 60 m verzichtet. Im letzten Sommer litt sie ständig unter einer Entzündung der Plantarfaszie im linken Fuss, die Höchstleistungen verhinderte.
Sie haben sich aufgrund Ihrer Entzündung am linken Fuss bewusst zurückhaltend auf die Olympiasaison vorbereitet und auf die Verteidigung des 60-m-Weltmeistertitels verzichtet. Wie gross waren die Zweifel vor den Europameisterschaften, ob der eingeschlagene Weg der richtige war?
Ich verzichtete in erster Linie auf die Hallensaison, weil mit den Europameisterschaften und den Olympischen Spielen zwei wichtige Grossereignisse stattfinden und die Belastung zu gross gewesen wäre, überall teilzunehmen. Der Fuss war in den Überlegungen nicht entscheidend, aber ich bin sicher, dass unsere Planung richtig war.
Ihre Füsse tragen Sie von Erfolg zu Erfolg, von Medaille zu Medaille und von Rekord zu Rekord. Trotzdem sind eben diese Füsse aufgrund der lästigen Sehnenentzündung auch ihre Problemzone. Wie gehen Sie damit um?
Ich kann mittlerweile gut damit umgehen und mich auch immer wieder entsprechend behandeln und in der Physiotherapie pflegen lassen. Ich mache auch gezielte Übungen, die mir helfen. Jeder Profisportler hat irgendwelche Beschwerden, das ist nicht aussergewöhnlich.
Sie haben im Winter bewusst anders als in früheren Jahren trainiert. Worauf legten Sie und Ihr Trainer Flavien Clivaz das Hauptaugenmerk? Gab es Details, in denen Sie sich noch verbessern konnten?
Wir trainierten nicht an speziellen Details, wir hatten mehr Zeit und deshalb war das Ziel, dass ich mich überall verbessern kann. Der Saisonaufbau war sehr gut und ich bin überzeugt, dass ich aufgrund der Trainingszeiten noch schneller laufen kann.
Sie haben in Rom Ihren vor zwei Jahren in München gewonnenen EM-Titel über 200 m erfolgreich verteidigt. Kann man sagen, dass Sie im Winter alles richtig gemacht haben?
Ob ich alles richtig gemacht habe, lässt sich nicht so einfach erklären. Der Sprint ist eine sehr komplexe Disziplin, aber in Rom ist alles aufgegangen. Dass da grosse Freude aufkommt, ist klar und dass ich die erste Schweizerin bin, der es gelungen ist, den Titel erfolgreich zu verteidigen, wusste ich gar nicht, aber das ist sicher speziell und macht mich stolz.
Schaut man sich Ihren Lauf in der Wiederholung an, wird klar, dass Sie nach einem optimalen Start die nächsten Meter bis in die Zielgerade hervorragend hinter sich gebracht haben. Gerade in der Kurve ist der Druck auf dem Fuss am stärksten. Behinderten Sie die Fuss-Probleme weder körperlich noch mental?
Das Fussproblem ist höchstens im Hinterkopf noch vorhanden, doch der Fuss bereitet mir keine Probleme mehr. Nach dem gelungenen Start ist der Kurvenlauf sehr gut gelungen, während des Laufs denkt man an gar nichts.
Am Schluss trennte Sie ein Wimpernschlag von Ihrer härtesten Konkurrentin, der Britin Daryll Neita. Wie lange dauerte es, bis Sie realisierten, dass es zu Gold gereicht hat?
Ich wusste zuerst nicht, ob es gereicht hat, es war sehr eng. Doch im Gegensatz zu anderen Rennen war das Ergebnis diesmal sehr schnell bekannt und ich wusste beim ersten Blick auf die Resultattafel, dass ich gewonnen habe. Entsprechend gross war die Freude.
Je grösser der Druck ist, der auf Ihren Schultern lastet, umso schneller und erfolgreicher laufen sie. Worin liegt das Geheimnis?
Das war schon immer so. Bei Wettkämpfen fühle ich mich wohl. Ich habe immer so funktioniert, schon in der Juniorenzeit. Der Druck, die Nervosität aber auch die Freude, ein Rennen bestreiten zu dürfen, ist stets vorhanden. So gesehen ist es auch kein Geheimnis.
Bis zu Ihrem ersten Einsatz an den Olympischen Spielen dauert es nur noch eine Woche. Wie bereiteten Sie sich in der Zwischenzeit vor?
Ganz normal. Nach Rom stand zuerst Erholung auf dem Programm, jetzt werde ich wie immer trainieren. Die EM war ein Zwischenstopp, die Vorbereitung läuft genau so wie in anderen Jahren vor Grossanlässen.