Unihockey – Miska Mäkinen ist einer der Stars bei Floorball Köniz Bern. Im Dezember schoss er Finnland zum fünften WM-Titel. Jetzt will er mit seinem Team in den Playoffs für Furore sorgen. Wir haben ihn auf der Arbeit besucht. Er jobbt in einer Recycling-Anlage.
Znünipause. Für 15 Minuten ruhen die Förderanlagen und der Schienenbagger. Vor der riesigen Recycling-Halle im Westen Berns raucht eine Handvoll Mitarbeitende. Drinnen an einem Tisch sitzen Miska Mäkinen und Rasmus Kainulainen an einem Tisch. Die zwei Finnen scherzen und lachen, eine Flasche Mineralwasser zwischen ihnen. Gleich geht es wieder los, gleich sortieren sie in der Halle nebenan wieder Bauschutt und Gewerbeabfälle.
Rückblende. Mitte Dezember. Unihockey-WM-Final in Malmö. Die schwedischen Gastgeber führen im innerskandinavischen Duell gegen Finnland schon mit 4:0. Doch die Finnen kämpfen sich zurück, gleichen aus und kurz bevor sich die Verlängerung dem Ende zuneigt, luchst Miska Mäkinen einem schwedischen Kontrahenten den Ball ab, lanciert den Gegenstoss, bricht in der Mitte des Feldes durch und netzt zum 5:4 ein.
Es brechen alle Dämme. Finnland ist zurück auf dem Thron, dank einem Sieg in letzter Sekunde gegen den ewigen Rivalen. Denn seit 1996 Weltmeisterschaften im Unihockey ausgetragen werden, haben nur Schweden (zehn Mal) und Finnen (fünf Mal) den Weltmeister-Pokal in die Höhe stemmen können. Miska Mäkinen ist der Held einer ganzen Nation. Direkt nach dem Spiel meldet sich Finnlands Präsident Alexander Stubb telefonisch, gratuliert und gibt Tipps zum Feiern.

So kam Mäkinen zu Köniz
Zurück nach Oberbottigen-Riedbach, zurück in die Recycling-Anlage. Hier posiert Miska Mäkinen am Handleseband, wo Wertstoffe aus dem Bauschutt aussortiert werden. Holz, Papier, Plastik – alles was recycelt werden kann, wird aussortiert. Die Schweiz war ein Kindheitstraum für ihn, aber auch für seinen Freund Rasmus Kainulainen. «Ein wunderschönes Land, spannende Kultur und auch das Einkommen ist besser», sagt er und lacht.
Die zwei finnischen Freunde suchten das Ausland-Abenteuer. Eine Agentur bot sie Heinz Zaugg, Sportchef von Floorball Köniz Bern (FBK) im Herbst 2023 an. Im Doppelpack, das war nicht verhandelbar. Ablöse hätten sie für die zwei Nationalspieler keine bezahlen müssen, wohl aber eine kleine Vermittlungsgebühr von ein paar hundert Franken für den Agenten, so der FBK-Sportchef.
Auch die Löhne der Star-Spieler sind bescheiden, gerade im Vergleich zum Fussball. «Miska und Rasmus sind als Halbprofis bei uns angestellt», erklärt Zaugg. Teil des Lohnes sind die Wohnung und im Fall von Miska Mäkinen das Auto, das er vom Verein zur Verfügung gestellt bekommt. Der Nebenjob war ihnen beiden wichtig, als sie den Vertrag unterzeichneten, erzählt Mäkinen. Denn, obwohl er in Finnland ein Star ist und ihn spätestens seit dem WM-Final im Dezember 2024 das halbe Land kennt, sagt er: «Ich habe in Finnland zwar genug verdient, um davon zu leben. Aber sparen lag nicht drin.»
«Sie machen sich gut bei der Arbeit»
Jobben neben dem Unihockey, das kennt er zudem von früher. Zu Beginn seiner Karriere war er dazu verdammt, denn ohne Zusatzeinkommen wäre er nicht durchgekommen. «Ich habe beispielsweise einen Winter lang in einer Halle in Helsinki mit der Maschine das Eis gereingt», erzählt er schmunzelnd.
Als er von seinem heutigen Verein neben dem Unihockey auch gleich einen Job angeboten bekam, zögerte Mäkinen also keine Sekunde. Auch wenn er nicht genau wusste, auf was er sich da einlässt. «Es hiess, es sei einfache Arbeit – und das ist es. Die Zeit geht schnell vorbei, wir sind fair bezahlt und dürfen auch Hörbücher hören während der Arbeit. Für mich passt das bestens, ich bin dankbar», sagt der finnische Star von Floorball Köniz Bern.
Ich bin überzeugt,
dass wir das
bessere Team sind.Miska Mäkinen
Während Miska auf der Treppe vor dem Schienenbagger posiert, meint Geschäftsführer und FBK-Sponsor René Schneider: «Er und Rasmus machen sich gut. Logisch, es gibt die Sprachbarriere. Aber sie sind jung, dynamisch und motiviert.» Staub liegt in der Luft, die Maschinen rattern und der Schienenbagger wirft donnernd neues Abbruchmaterial aufs Förderband. Oft arbeiten Rasmus Kainulainen und Miska Mäkinen am Handleseband, aber sie sortieren auch Abfälle aus, die von den Coop-Einkaufscentern in der Umgebung hergebracht werden – genauso Elektroschrott und Batterien.
Beeindruckende Kulisse des Gegners
Zwei Tage die Woche arbeiten die beiden Finnen normalerweise bei der Resag Recycling + Sortierwerk AG im Industriegebiet direkt neben der Autobahn A1, wenige hundert Meter vom Westside. Sie sind im Stundenlohn angestellt. Jetzt, während der Playoffs arbeiten sie nur montags. Im Gegensatz zur regulären Saison finden während der K.o.-Phase auch Spiele unter der Woche statt. Die Regeneration geht vor, das ist auch Chef und Sponsor René Schneider wichtig.
Das erste Spiel gegen Cupsieger Rychenberg haben die Könizer letzten Samstag auswärts 4:2 gewonnen (weitere Partien siehe Box). «Die Atmosphäre bei ihnen ist beeindruckend», sagt Mäkinen. Kein Team lockt mehr Anhänger an als Rychenberg. Mit durchschnittlich fast 1500 Zuschauern pro Spiel sind sie der Ligakrösus, quasi der SCB des Schweizer Unihockeys. An zweiter Stelle folgt in dieser Statistik Floorball Köniz Bern mit rund 650 Zuschauern im Schnitt.
In den zwei Partien der regulären Saison gewann zweimal der HCR. Die Zürcher beendeten die Saison denn auch auf Platz 3, Köniz auf Platz 6. Entsprechend geniessen die Zürcher zuerst Heimrecht. Ein grosser Vorteil –
nicht nur der Zuschauer wegen. «Im Gegensatz zu allen anderen Mannschaften legen sie für die Spiele keinen speziellen Floorball-Boden aus, sondern es ist ein normaler Hallenboden», erklärt Mäkinen. Das Problem daran: Ball und Stock kleben mehr.
Reif für eine grosse Überraschung?
Also sind die Zürcher zu favorisieren? «Auf ersten Blick vielleicht. Aber ich bin überzeugt, dass wir das bessere Team sind», sagt der WM-Siegtorschütze. Sie hätten viele junge Spieler. «Es ist eindrücklich, wie sie sich verbessert haben und wir als Mannschaft gewachsen sind», sagt Mäkinen. Den Reifungsprozess belegt die Statistik: In der Vorrunde verlor Köniz sieben von elf Spielen, in der Rückrunde nur noch vier – und diese zudem meist knapp.
Mäkinen traut seinem Team vieles zu – auch wenn er Zug mit der finnisch-schwedischen Allstar-Linie
im Titelrennen gegenüber allen anderen Teams leicht favorisiert. Wie es auch ausgehen wird, der 28-jährige Finne ist ein wichtiger Pfeiler dieses Teams. Headcoach Marcel Mader sagt: «Miska Mäkinen ist ein grossartiger Spieler und eine wunderbare Persönlichkeit. Im Spiel ist er kaum vom Ball zu trennen, weil er technisch äusserst versiert ist. Sein Offensivdrang ist einzigartig.» Zudem sei er sehr ehrgeizig und verfüge über eine ausgesprochene Winner-Mentalität. Eigenschaften, die Mäkinen nicht zuletzt an der WM in Schweden vor drei Monaten unter Beweis stellte. Zwar erzielte er nur ein Tor bei diesen Titelkämpfen, aber er entschied damit den WM-Final und machte sich zum Nationalhelden. Das ist kein Zufall. Noch in der U19 spielte Miska Mäkinen als Stürmer. Seine Transformation zum Verteidiger aber ermöglichte ihm den Sprung ins A-Nationalteam.
Vom Präsidenten-Palast in die Recycling-Halle
Mäkinens Tor bescherte der finnischen Unihockey-Nationalmannschaft Anfang Februar einen Empfang im Präsidenten-Palast. Bei Kaffee und Kuchen im Spiegelsaal sagte Präsident Alexander Stubb laut der grössten finnischen Boulevard-Zeitung Ilta-Sanomat: «Solche Siege haben eine enorme Bedeutung für Finnland.»Auf Instagram postete der Präsident zudem ein Video des Treffens. Es sei ihm eine Freude gewesen, die Weltmeister zu empfangen, schrieb er dazu. Die Geschichte dieses Finals –
vom fast hoffnungslosen Rückstand zum Sieg – zeige, was Glaube, insbesondere der Glaube an sich selbst, bewirken könne.
Zwei Tage nach dem präsidialen Empfang stand Miska Mäkinen wieder in der Recycling-Halle und sortierte Abfälle – zufrieden mit sich und der Welt.

Fotos: Daniel Zaugg