Am BEA-Fokustag «Gesundheit» zeigen Akteure des Berner Insel Campus, wie Bern zur Ideenwerkstatt der modernen Medizin wird. Mit Innovationen, die nicht einfach im Labor bleiben, sondern das Leben verändern.
Sitem-insel ist das Schweizerische Institut für Translationale Medizin, welches Klinik, Forschung, Bildung und Industrie an einem Ort vereint und so den Weg von der Idee zur Anwendung am Menschen beschleunigt. Auch CSL Behring ist mit einem Forschungszentrum auf dem Campus vertreten und entwickelt dort lebenserhaltende Therapien.
Warum sitem-insel dieses Jahr an der BEA dabei ist und weshalb Vernetzung für die Medizin entscheidend ist, fragten wir Prof. Dr. Christian Leumann, Direktionspräsident der Insel Gruppe, und Mai Viholm, Standortleiterin von CSL Behring Bern.
Christian Leumann, werfen wir als erstes einen Blick zurück.
Im Zuge der medizinischen Entwicklung der letzten Jahre haben personalisierte Gesundheitsdaten zunehmend an Bedeutung für medizinische Entscheidungen in der Patientenversorgung gewonnen. Das bedingt, dass die Klinikinformations- und Steuerungssystme der Zukunft (KISS) dies unterstützen. Die Insel Gruppe hat daher das KISS von EPIC eingeführt, das den gesamten Behandlungsprozess – von der Aufnahme bis zur Nachsorge – digital abbildet. Besonders wichtig ist dabei der Zugang zu medizinischen Daten auch über den Spitalaufenthalt hinaus, um eine vernetzte und nachhaltige Versorgung zu ermöglichen und aus den Daten zu lernen.
Bleiben wir kurz beim Klinikinformations- und Steuerungssystem von EPIC, welche Vorteile bietet dieses?
EPIC wird weltweit an über 2000 Spitälern und anderen Gesundheitseinrichtungen eingesetzt. Es vereinheitlicht die medizinische Dokumentation, verbessert den Informationsfluss über Abteilungen, Kliniken und Spitäler hinweg und ermöglicht fundierte Entscheidungen auf Basis jederzeit verfügbarer Daten. So lassen sich beispielsweise Doppeluntersuchungen vermeiden und die Patientensicherheit erhöhen. Auch für die Forschung ist EPIC eine wichtige Unterstützung; denn mit strukturierten Daten lassen sich Krankheitsbilder besser analysieren und personalisierte Therapien entwickeln, etwa im Kampf gegen Krebs.
Wird Krebs also bald heilbar?
In der Onkologie wurden in den letzten Jahren effektiv grosse Fortschritte erzielt. Neue Therapieansätze, wie die personalisierte Immuntherapie, ermöglichen eine gezieltere Behandlung bestimmter Krebsarten, dies oft mit besserer Prognose. Ganz heilbar ist Krebs jedoch noch nicht. Die Forschung schreitet aber rasant voran, und moderne Technologien, etwa KI-gestützte Auswertungen von Patientendaten, eröffnen neue Perspektiven. Ziel ist es, die Krankheit früher zu erkennen und langfristig in chronisch beherrschbare oder heilbare Formen zu überführen.
Wie sieht es bei Demenz aus?
Gerade beim Thema Demenz sehen wir, wie wichtig die weitere Forschung am menschlichen Gehirn ist, denn dieses gehört noch immer zu den am wenigsten verstandenen Organen. Mit der steigenden Lebenserwartung nimmt die Häufigkeit altersbedingter, degenerativer Erkrankungen denn auch deutlich zu. Aber auch Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder sehr seltene Krankheiten stellen eine wachsende Herausforderung dar.
Und hier kommt beispielsweise die CSL Behring ins Spiel, Mai Viholm?
Absolut. Denn gerade bei komplexen Krankheiten zeigt sich, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Klinik und Industrie ist. Wenn Labor- und Klinikdaten der Forschung gezielt zur Verfügung stehen, können neue Therapien schneller, präziser und individueller entwickelt werden. So wie das bereits in den 70er und 80er-Jahren bei der erfolgreichen Entwicklung von Immunglobulinen geschehen ist. Die enge Zusammenarbeit mit lokalen Partnern wie dem Insel Campus und unsere Innovationskraft machen Bern zu einem wichtigen Pharma- und Biotech-Standort.
Welche Voraussetzungen braucht es dazu?
Die Forschung und Entwicklung ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Standorts in Bern. Hier arbeiten über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im CSL Biologics Research Center im sitem-insel an neuen Therapien in unseren fünf therapeutischen Bereichen. Unsere langjährige Partnerschaft mit dem Insel Campus und anderen lokalen Institutionen hat es uns ermöglicht, bedeutende Fortschritte zu erzielen. So versorgen wir heute von Bern aus rund 100 Länder mit lebenswichtigen Medikamenten.
Heute hat man als Patient ja die Möglichkeit, an sehr viele Informationen aus dem Internet zu kommen. Herr Leumann, ist das eher ein Vor- oder Nachteil?
Der einfache Zugang zu Gesundheitsinformationen im Internet ist Fluch und Segen zugleich. Zwar können sich Patienten heute schnell informieren, was eigentlich eine gute Sache ist. Doch der Faktencheck ist oft schwierig, denn zwischen seriös und fragwürdig ist alles im Netz vorhanden. Entscheidend ist die sachliche Einordnung, und dafür braucht es medizinisches Wissen. Einen besseren Ansatz bietet deshalb die myInsel-App. Diese gibt Patientinnen und Patienten sicheren Zugriff auf ihre präzisen Gesundheitsdaten, die sie – sofern sie dazu ihr Einverständnis geben – mit behandelnden Ärztinnen und Ärzten oder Personen denen sie vertrauen, teilen können. Über 30‘000 Menschen nutzen die App bereits. Das ist ein wichtiger Schritt hin zum mündigen Patienten, ohne dabei auf Qualität und professionelle Begleitung verzichten zu müssen.
Dieses Jahr hat der Insel Campus erstmals einen Auftritt am Fokustag «Gesundheit» an der BEA, weshalb?
Wir möchten den medizinischen Innovationsstandort Bern sichtbar machen und zwar nicht nur innerhalb der Fachwelt, sondern auch gegenüber der breiten Öffentlichkeit. Wir sind umgeben von Medtech-Firmen, eingebettet in eine enge Partnerschaft mit der Universität Bern und der Berner Fachhochschule, die für den Nachwuchs an hervorragend ausgebildeten Fachkräften sorgen. Wir wollen aufzeigen, wie sich die Medizin in den nächsten Jahren entwickeln wird, aber auch zum Nachdenken anregen und den Dialog zwischen Forschung, Versorgung und Bevölkerung stärken.
Wie wird die Medizin der Zukunft denn aussehen?
Mai Viholm: Sie wird personalisierter werden, hin zu hochspezifischen Behandlungen, abgestimmt auf das individuelle Krankheitsbild. Fortschritte in der Gentherapie ermöglichen es beispielsweise, nicht nur Symptome zu lindern, sondern auch Krankheiten ursächlich zu behandeln. Dies ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer zukunftsorientierten Medizin.
Christian Leumann: Das sehe ich auch so. Die Medizin der Zukunft wird zunehmend datengestützt und noch stärker auf den einzelnen Menschen zugeschnitten. Die Künstliche Intelligenz unterstützt die Ärztinnen und Ärzte bei der Dateninterpretation und schafft damit zusätzliche Sicherheit. Gleichzeitig eröffnen uns diese Technologien viele neue Möglichkeiten insbesondere in der Prävention.
Werden wir also in naher Zukunft ewig leben?
(beide lachen) Christian Leumann: Ewig leben werden wir wohl nicht – und ich weiss nicht, ob der Mensch psychisch dazu überhaupt in der Lage wäre. Biologisch gesehen ist nichts im Körper für die Ewigkeit geschaffen. Unser Ziel sollte sein, das Leben, das wir haben, so gesund und angenehm wie möglich zu gestalten. Ganz besonders auch in der letzten Lebensphase, die oft herausfordernd ist.
Mai Viholm: Genau, es geht nicht ums ewige Leben, sondern um mehr Lebensqualität. Wir wollen Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben, auch bei schweren und seltenen Krankheiten ermöglichen. Fortschritt dank innovativer Therapeutika heisst nicht, den Tod zu besiegen, sondern das Leben von Patienten weltweit besser zu machen.


Foto: Daniel Zaugg