Liedermacherin Sina philosophiert mit den Kabarettisten Bänz Friedli und Ralf Schlatter anlässlich ihrer gemeinsamen Tournee über ihre Wertvorstellungen.
Weshalb gehen Sie gemeinsam auf Tournee, obwohl jeder von Ihnen mehr verdienen dürfte, wenn er allein auftreten würde?
Sina: Wenn man im Leben nur ans Geld denkt, bleibt ganz viel Seele auf der Strecke. Es gibt in der Musikbranche so viele Beispiele, die zeigen, dass die Leute zu fast allem bereit sind, um im Gespräch zu bleiben, noch jemand zu sein oder Geld zu verdienen. Ob sie das müssen oder nicht. Wir können es uns zum Glück leisten, für ein Herzensprojekt auf einen Teil unserer exorbitanten Gagen verzichten.
Friedli: Wobei ein Platz im Golden Circle auch bei uns 480 Franken kostet. (Lacht) Apropos: Kürzlich musste ich für vier der billigsten Pink-Tickets 900 Franken hinblättern …
Sina: Und ich habe für vier Taylor-Swift-Tickets etwa tausend Franken bezahlt. Normalpreis, nicht auf einer Wiederverkaufsplattform!
Friedli: Und ich dachte, Taylor lädt dich ein?!
Schlatter: Im Ernst, um auf die Frage zurückzukommen: Als Sina Bänz und mich anfragte, ob wir mit ihr auf Tournee gehen würden, fühlten wir uns extrem geehrt. Ich dachte: «Wow! Und dann auch noch mit ihr singen!» Ich zögerte keinen Moment.
Da nimmt man sich die Zeit einfach.
Friedli: Natürlich, irgendwann ab Fünfzig realisierst Du, dass Deine Zeit beschränkt ist und fängst an, bewusster auszuwählen. Mit Sina hätte ich ein solches Projekt aber schon vor zwanzig Jahren gemacht. Ehrlich gesagt, sogar gratis. (Schmunzelt)
Geld ist nicht alles.
Friedli: Wenn Du nur dort auftrittst, wo Du am meisten verdienst, verpasst Du das Beste. Der Abend in Grüsch, in einem Theater mit 65 oder 70 Plätzen, war der Höhepunkt der Tournee mit meinem Kabarettprogramm. Ich habe monetär weniger bekommen, aber das Geschenk, welches mir das Publikum machte, hat das mehr als aufgewogen. Bei unserem Projekt ist es sogar so, dass wir weniger arbeiten müssen und den anderen beiden zuhören können! (Lacht)
Schlatter: Es geht wirklich nicht um den schönsten Saal oder die modernste Technik, sondern um das Zwischenmenschliche. Wir haben mit schön&gut in Bern in einer Doppelgarage gespielt, vor fünfzig Leuten, und es war toll, und zwei Wochen später in Vitznau in einem nagelneuen goldenen Kammermusiksaal, und es war eine Katastrophe.
Für Sie alle sind Text und Musik von grosser Bedeutung, aber in unterschiedlichen Ausprägungen. Wie wirkt sich das auf dieses Programm aus?
Sina: Wenn Du es zu dritt gestaltest, hast Du einen intensiven Austausch. Jeder bringt seine Stärken ein und lernt von den anderen. Was ist Ralf dramaturgisch wichtig, wie wählt Bänz seine Texte aus, wie strukturieren wir die Übergänge von der einen Nummer zur anderen, wo lassen wir‘s laufen. Bei dieser Zusammenarbeit kann ich viel profitieren vom Handwerk der beiden Kabarettisten. Wir alle müssen dabei auch ein wenig aus unserer Komfortzone heraus, aber das macht es für uns und das Publikum interessant und lebendig.
Friedli: Das hättest nicht Du sagen sollen, sondern wir, denn ich habe das Gefühl, dass wir unheimlich von deinem Erfahrungsschatz profitieren! Ich weiss jetzt schon, dass ich am Ende nicht mehr der gleiche Künstler sein werde wie vorher. Der Einblick ist für mich besonders spannend, da wir Wort-Künstler auf die Liedermachenden ewig neidisch sind: Ich kann die Leute bestenfalls zum Lachen bringen, ihnen vielleicht gar ein Tränchen abringen, sie aber nicht annähernd so berühren wie Sina. Wo die emotionale Wirkung des Textes aufhört, fängt die Musik erst an.
Ralf, Sie kommen auch vom Wort, singen aber schon lange. Wie kam es dazu?
Schlatter: Meine Bühnenpartnerin ist eine super Sängerin, die jeden Ton tüpft und bei dem man neben ihr jeden Ton hört, der nicht stimmt. Mir wurde das nicht in die Wiege gelegt, ich musste mir das wirklich hart erarbeiten, habe früher vor jedem Lied auf der Bühne Blut geschwitzt, aber inzwischen fühle ich mich ziemlich wohl. Als ich kürzlich im Duo eine musikalische Idee einbrachte, fand Anna-Katharina (Rickert): «Ah, ich glaube, Dir tut das noch gut mit Sina!» (Lacht)
Wie sieht die Mischung aus «Songs und Gschichtä» aus?
Schlatter: Zum Einstieg singen wir ein Medley aus bekannten Liedern zum Thema Zeit, ein wilder Höllenritt durch die Stilgeschichte, von Freddy Quinn über Tom Waits bis Polo Hofer, und dann bei Sinas Liedern teilweise das Chörli. Bei zwei von meinen Texten, die etwas sehr Musikalisches haben, lasse ich mich von unserer hervorragenden Akkordeonistin Patricia Draeger begleiten. Es ist ein schön verbundener Abend mit unseren Geschichten und Sinas Songs.
Friedli: Vermutlich präsentieren wir uns alle anders als man uns kennt. Ich bin weniger komödiantisch als in meinen Soloshows, nachdenklicher. Ein besonderes Erlebnis ist es, Sina so zu hören, wie sie nur die wenigsten kennen. Aufs Maximum reduziert, nur von einer Handorgel begleitet. Intim und unplugged. Die bekannten Songs klingen noch eindringlicher, dazu singst Du «B-Seiten» und Raritäten.
Bänz hat zwei Texte zum aktuellen Sina-Album beigesteuert, Ralf denjenigen, von dem sich der Titel «Ziitsammläri» ableitet. Welche Qualitäten haben sie als Autoren?
Sina: Beide können das, ihre Geschichten auf drei Minuten komprimieren und rhythmisch in einen Fluss bringen. Und zwar so, dass man sie versteht, sie aber trotzdem eine zweite Ebene haben, aus der man mehr herauslesen kann, wenn man das möchte. Die Zusammenarbeit mit ihnen erweitert mein Wortuniversum, in dem ich sonst hängen- und gefangen bliebe. Ich finde das einfach wunderschön und bereichernd.
Wie gehen Sie damit um, dass die Künstler auch in der Popmusik fast nur noch von den Liveauftritten leben können?
Sina: Das ist eine schwierige Entwicklung, weil ganz viel kreatives Potenzial auf der Strecke bleibt, da viele Künstler nicht mehr von der Musik leben können. Positiv ist, dass die Wertschätzung der Leute für Live-Musik gewachsen ist. Je länger, desto mehr zelebrieren sie diese Abende. Sie machen sich schön, nehmen einen Apéro oder gehen essen und geniessen dann das Konzert. Bei uns haben sie vielleicht keinen Babysitter mehr nötig, aber ihren Hund parkiert. (Lacht)
Friedli: Es gab Zeiten, in denen Peach Weber mit seinen «Gäx» 300 000 CDs verkaufte. Bei mir ist die Zahl inzwischen nicht mal mehr vierstellig, aber ich freue mich, dass die Leute Dir zwei Stunden schenken, ihren Samstagabend. Ich bin manchmal völlig perplex. Die lassen sich einsperren in einen Gewölbekeller, der nicht mal Handyempfang hat! (Lacht) Grüsch war nicht zufällig so huere geil. Sonst gibt es immer einige, die während des Auftritts noch schnell das HC-Davos-Resultat nachschauen müssen und nicht ganz bei mir sind. Dort waren wir jedoch ganz in dieser Zeitkapsel, in der wir zusammen auf eine Reise gingen.
Wie ist eigentlich die Resonanz auf die Zusammensetzung eurer Reisegruppe?
Sina: Ich höre oft, dass mich die Leute schon mit verschiedenen Programmen erlebt haben, aber es besonders spannend finden, mich nun mit Bänz und Ralf auf der Bühne zu sehen. Sie sagen: «Wir haben zwar keine Ahnung, was uns erwartet, aber wenn ihr etwas zusammen macht, wollen wir dabei sein.»