Schnellzugriff

Unterwegs mit neuem Filmprojekt

Mit einem Sarg auf Tournee

Trotz ihres morbiden Filmthemas quicklebendig: Sarah Elena Schwerzmann auf dem Bermer Gurten. Foto: Helen Lagger

Sarah Elena Schwerzmann beschäftigt sich in ihrer Kunstinstallation «08/15 – der Tod als Alltag» mit dem Unausweichlichen. Quicklebendig hat sie auf dem Gurten erzählt, warum sie mit einem Sarg auf Tournee geht.

Sie möchte als Leiche nie in der Rechtsmedizin landen und sie weiss, dass sie einmal kremiert werden will. Das erzählt Polizistin Stephanie im Film «08/15 – der Tod als Alltag». Die Frau weiss, wovon sie spricht, denn sie kennt Exhumierungen aus ihrem Berufsalltag. Im dokumentarischen Kurzfilm kommen ausserdem ein Tatortreiniger und ein Rechtsmediziner zu Wort. «Der nachfolgende Film wird von einem Algorithmus zufällig zusammengestellt», erfährt man am Anfang. So ist jedes Schauen ein wenig anders, denn es gibt insgesamt 25 997 760 Versionen. Für Regie, Schnitt und Produktion ist die Filmerin Sarah Elena Schwerzmann verantwortlich. Das Spezielle bei ihrem Projekt: Sie geht mit einem Sarg auf Tournee, in dem die Zuschauenden Platz nehmen können, während sie den Film anschauen und anschliessend mit Schwerzmann ins Gespräch kommen. Bereits seit 2022 ist die Installation an verschiedenen Standorten auf Tour. Der Film wurde ausserdem an diversen Film- und Kunstfestivals gezeigt. Einen morbiden Eindruck macht Sarah Elena Schwerzmann bei unserem Treffen auf dem Gurten nicht. Sie trägt einen Strohhut, ein oranges T-Shirt und metallisch glänzende Schuhe in Violett. Warum beschäftigt sie sich mit einem so düsteren Thema? Der Tod sei nach wie vor ein Tabuthema. «Dabei haben wir viel weniger Kontrolle über Leben und Tod als wir meinen», so die Filmerin und Künstlerin. Es fiel ihr irgendwann auf, wie stark der Tod die Welt der Unterhaltung prägt. «True-Crime-Sendungen boomen, Mord- und Totschlag ist omnipräsent.» Nur eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Thema fehle, so Schwerzmann. Sie selbst verlor als Neunjährige einen engen Freund, als 14-Jährige den Vater und mit 18 Jahren erneut einen Freund. «Der Tod kam jeweils aus dem Nichts.»

One-Woman-Show
Für ihr Projekt suchte sie nach Menschen, die sich dem Tod berufsbedingt nicht entziehen können. Der Tatortreiniger Sascha etwa, erzählt wie er weiche Knie bekam, bei seinem ersten Einsatz, einem Suizid mit Schusswaffe. Schwerzmanns Projekt ist eine One-Woman-Show, wobei ihr mittlerweile freiwillige Helfer und Fans zu Hilfe kommen, um den Sarg mit Lieferwagen zu transportieren und an den verschiedenen Standorten aufzustellen. Beim Paradeplatz in Zürich oder mitten im Bahnhof Bern, stellte sie die Pop-Up-Installation bereits auf. 2015 begann Schwerzmann mit den Filmarbeiten. Einen ganzen Tag wendete sie pro Person auf. 2021 stellte sie den Film online und erhielt so viel Feedback, dass ihr die Idee mit der Installation kam. Mittlerweile hat sie rund dreissig Auftritte mit über 800 Besuchenden in der Öffentlichkeit hinter sich. Die Idee mit dem Algorithmus passe zur Willkür von Leben und Tod, findet sie. Den Sarg hat sie bei einem Schreiner in Bümpliz anfertigen lassen. Die Reaktionen auf ihr Projekt fallen unterschiedlich aus. «Diejenigen, die sich aufregen, das Ganze morbid finden, bleiben letztlich trotzdem stehen, so dass ein Gespräch möglich wird», so Schwerzmann. Auf dem Gurten hatte sie ihre Installation neben dem Planschbecken, in dem Kinder sich vergnügen, aufgestellt. So trafen der Tod und das blühende Leben aufeinander. Zwei zehnjährige Mädchen setzten sich in den Sarg und schlossen die Türe. Sie wollten auf dem i-Pad «die wilden Hühner» schauen. Der Tod schien weit weg zu sein.

George Clooney interviewt
Von ihrem verstorbenen Vater hat Schwerzmann die Liebe zur Musik sowie eine grosse Plattensammlung geerbt. «Ich wollte ursprünglich in die Musikbranche», so Schwerzmann, die in den Nullerjahren auch als Djane auftrat. Nach einem Übersetzungsstudium an der Universität Genf betätigte sie sich als Musikjournalistin für verschiedene Printmedien und arbeitet schliesslich beim Sender TeleBärn, beim SWR Fernsehen in Mainz und bei ProSieben in München als Videojournalistin. «In fast alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, bin ich reingerutscht», so Schwerzmann. Als 2007 eine Stelle der Associated Press ausgeschrieben war, zog sie Hals über Kopf nach London und arbeitete während vieler Jahre als Auslandkorrespondentin für Medien im deutschsprachigen Raum. In London war die Dichte an Stars gross. «Ich traf Amy Winehouse im Pub und wurde ihr gar vorgestellt.» Als Journalistin konnte Schwerzmann George Clooney, Matt Damon oder die Cohen Brothers interviewen.» Alles Unsterbliche? Zumindest auf der Leinwand.

TOUR 2024

SEPTEMBER
5.9. Biel / Bienne, 9 – 17 Uhr
6.9. Lyss, 9 – 17 Uhr
7.9. Moutier, 9–17 Uhr
17.9. Bern, Westside, 9 – 17 Uhr
18.9. Bern, Stellwerk Länggasse,
9 – 17 Uhr
19.9. Bern, Bärengraben, 9–17 Uhr

OKTOBER
3.10. Köniz, 9–17 Uhr
4.10. Thun, 9–17 Uhr
5.10. Spiez, 9–17 Uhr

Genaue Standorte und weitere Tourdaten unter:
instagram.com/0815_tour
force-majeure.org

PERSÖNLICH

Elena Schwerzmann wurde 1981 in Köniz geboren. Die Filmerin und Produzentin hat ein Übersetzungsstudium an der Universität Genf abgeschlossen und war unter anderem Videojournalistin bei TeleBärn. Als Auslandkorrespondentin arbeitete sie für deutsche Medien in London. Von 2014 bis 2022 war sie beim deutsch-französischen Kultursender ARTE für Dokumentarserien verantwortlich. Schwerzmann lebt in Bern.

Diesen Beitrag teilen

Weiterlesen

Mit neuem
E-Paper Reader!

Flüstere dem Bär etwas.

In der Flüstertüte berichtet der BärnerBär immer wieder über Gerüchte aus der Hauptstadt. Du hast etwas gesehen oder gehört, von dem der Bär wissen sollte? Hier kannst Du es ihm flüstern!

Name und E-Mail-Adresse benötigen wir nur zur Korrespondenz. Diese Angaben werden wir nie veröffentlichen.

Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.
Name
Klicke oder ziehe Dateien in diesen Bereich zum Hochladen. Du kannst bis zu 2 Dateien hochladen.
Laden Sie bis zu zwei Bilder zu Ihrer Meldung hoch.

FOUGSCH AM BÄR?

Geschichten aus der Haupstadt, tolle Wettbewerbe und mehr – folge uns jetzt!

DER BÄRNERBÄR NEWSLETTER

Melde Dich jetzt für den bärenstarken Newsletter an und erhalte 1x wöchentlich die spannendsten Geschichten aus Bern direkt per Mail.