Wer in der Stadt Bern mal schnell von einem zum andern Ort will, greift gerne und immer öfter zum Bike. Ist kein eigenes vorhanden, nimmt man ein PubliBike. Nach einem verhaltenen Start im 2018, hat sich inzwischen PubliBike in der Stadt Bern fest verankert.
Zu diesem Schluss kam auch die Stadt Bern und hat die Firma PubliBike für weitere acht Jahre – ab 2026 – beauftragt, das öffentliche Veloverleihsystem der Stadt Bern zu betreiben. Eine grosse Motivation für deren Betriebsleiter, Sandro Canzio, zuständig für die Region Bern-Mittelland und seit Beginn hier in Bern mit an Bord. Er schmunzelt, wenn er an die Anfänge zurückdenkt. «Ja, damals im 2018 wurden wir kalt erwischt! Als da anfangs reihenweise die Schlösser geknackt und die Velos überall stehengelassen wurden, war das schon ein heftiger Einstieg!» erinnert er sich. «Jeder von uns musste damals Velos einsammeln gehen, wir haben sie da drüben auf den Schulhausplatz gebracht und mit den verantwortlichen Technikern die Schlösser aufbruchsicher gemacht.» Wir treffen Sandro Canzio im Kompetenzzentrum Arbeit (KA) der Stadt Bern in der Lorraine. Hier befinden sich auch die beiden Subunternehmen von PubliBike: die Werkstatt und die Logistik. Durch die Zusammenarbeit mit der Werkstatt, in der Menschen, die Sozialhilfe beziehen, beschäftigt werden, um sie in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern, unterstreicht das Unternehmen seine soziale Verantwortung. Die Mitarbeitenden der Werkstatt sind für die Wartung und Reparatur aller Leihvelos von PubliBike zuständig. Das Logistikunternehmen, die Leafer GmbH, ist verantwortlich für die Ausgleichslogistik zwischen den Stationen, den Batteriewechsel bei E-Bikes sowie alle weiteren Arbeiten im Netz. Während wir an der hellen, großzügigen Werkstatt vorbeigehen, erklärt der Betriebsleiter dies und führt uns in den Pausenraum, wo wir uns an den langen Tisch setzen.
Wie viele Bikes kommen denn pro Tag in die Werkstatt?
Das sind etwa 20 bis 40, je nach Tag und Saison. Manchmal ist eine Reparatur nötig und zweimal pro Jahr kommt jedes Velo in den Service. In der Werkstatt werden etwa sechs bis zehn Personen beschäftigt. Geleitet wird diese von einem ausgebildeten Velomechaniker, wir legen grossen Wert auf die hohe Qualität der Arbeiten und die Sicherheit der Bikes. Da wir nur über zwei Velotypen verfügen, ist diese Arbeit aber relativ gut erlernbar.
Zu Beginn 2018 gabs, wie erwähnt, Probleme – wie ist denn die Situation aktuell?
Inzwischen gibt es eigentlich keine grösseren Probleme mehr. Wir haben auch stetig dazu gelernt, haben Korrekturen und Anpassungen an den Velos vorgenommen und die steigende Beliebtheit unserer Bikes gibt uns Recht – über 40 000 aktive Abo-Nutzende verzeichnen wir hier in Bern. Inzwischen gibt es 247 PubliBike-Stationen, nach wie vor verfügen wir aber über die gleiche Anzahl Velos wie am Anfang, nämlich über 1600 Bikes, davon sind die Hälfte Elektrovelos. Im August 2024 schrieben wir mit 9300 Fahrten an einem einzigen Tag einen absoluten Rekord, zu Beginn waren wir bei jeweils einigen hundert Fahrten pro Tag.
Das sind beeindruckende Zahlen – aber was heisst das nun für die Zukunft, zumal noch weitere neue Gemeinden dazu kommen werden?
Wir werden PubliBike auf den neuesten Stand der Entwicklung bringen. Das heisst, unsere Flotte wird sich verdoppeln und auch die Velos selbst werden mit komplett neuen Komponenten ausgestattet, mit einem neuen Schliesssystem und generell viel neuer Technologie.
Entwickelt denn PubliBike seine Velos selbst?
Ja, das geschieht in Biel. Wir stellen die Velos dort so her, dass sie sich ideal in die Mobilität der Städte integrieren lassen. Wie‘s der Name schon sagt, muss ein PubliBike ein Bike für alle sein, für Gross und Klein, Alt und Jung. Deshalb haben unsere Bikes einen angenehm tiefen Einstieg und einen einfach verstellbaren Sattel. Dadurch passt auch der Rahmen für jede Personengrösse. Und für uns sind die Velos dank den eher kleinen Rädern gut in Vans transportierbar. Das ist für die Logistik ein ganz wichtiges Kriterium.
Wird man denn am System der fixen Standorte festhalten?
Freefloating, so wie man das System der freien Standortwahl nennt, ist kein Thema. Einerseits will die Stadt fix-definierte Standorte, so dass ein aufgeräumtes Stadtbild möglich ist. Ausserdem hat sich unser System in den sechs Jahren etabliert und die fixen Standorte sind auch für die Nutzenden von Vorteil, da eine gewisse Verlässlichkeit garantiert ist.
Wer bestimmt eigentlich, wo genau die Stationen hinkommen?
Dazu gibt es eine Begehung mit Stadt oder der betroffenen Gemeinde. Da bin auch ich dabei und wir besichtigen den vorgesehenen Standort gemeinsam. Meist ergibt sich dieser aus Wünschen einerseits aus der Bevölkerung, anderseits aber auch seitens Stadt, respektive Gemeinde. Bei der gemeinsamen Besichtigung achte ich auf die Sicherheit für unsere Kundschaft, also ob sich der Standort an einer nicht zu sehr verkehrsreichen Strasse befindet und ob es genügend Beleuchtung in der Nähe hat. Ausserdem muss ich sicherstellen, dass der Ort für unsere Verteilfahrzeuge gut erreichbar ist und er auch aus logistischer Sicht angemessen bedient werden kann.
A propos Verlässlichkeit – teilweise findet man an gewissen Stationen gar keine Velos oder keine Elektrobikes?
Wir analysieren kontinuierlich Daten, um die Nachfrage präzise anzupassen. Die Verteilung der Leihvelos erfolgt über eine neu eingeführte Software, die durch Künstliche Intelligenz (noch in Entwicklung) unterstützt wird. Sie weist jeder Station Mindest-, Ziel- und Maximalkapazitäten zu und schlägt anhand eines Algorithmus vor, wie Fahrzeuge von «überversorgten» zu «unterversorgten» Stationen umverteilt werden. Unsere Logistik ist sieben Tage die Woche und 24 Stunden im Einsatz, immer ist jemand unterwegs, der Akkus tauscht und Bikes bringt oder holt. Somit sollte eine Station nie länger als eine Stunde leer sein. Aber gerade an schönen, heissen Sommertagen, wenn abends beispielsweise an der Aare die Nachfrage nach E-Bikes riesig ist, kommen wir schon manchmal an unsere Kapazitätsgrenzen. Aber wir konnten unser Knowhow in den letzten sechs Jahren enorm erweitern und auch die KI wird uns inskünftig eine immer grössere Hilfe sein.
Macht euch Vandalismus nach wie vor zu schaffen?
Zu Beginn hatten wir schon damit zu kämpfen. Die Bikes waren etwas Neues und da wurde teils auf massive Weise versucht, sie zu beschädigen. Inzwischen gehören sie zur Stadt, sind Teil des mobilen Berns und im Vergleich zu anderen Städten sind die Berner ziemlich anständig im Umgang mit ihren Velos. Bei angekündigten Demos oder Risikospielen im Wankdorf werden wir von der Polizei vorinformiert und räumen dann jeweils bestimmte Standorte. Das klappt sehr gut. Insgesamt gibt es eigentlich wenig Probleme. Bis auf das obligate Bike, das wir jährlich aus der Aare fischen oder ab und an einem, das von Touristen ins Oberland mitgenommen und dort stehengelassen wird (lacht).