CHRISTIAN FASSNACHT

«Meine Möbel sind noch in England»

Nach dem Sieg gegen Lugano schielt YB plötzlich wieder auf den Meistertitel. Das verdankt man unter anderem auch Rückkehrer Christian Fassnacht. Ein Gespräch über Verletzungen, die Umstände seiner Rückkehr und das Leben im Hotel. 

Christian Fassnacht, Ihre Zeit bei Norwich war stark von Verletzungen geprägt. Gegen Ende letzter Saison hatten Sie Achillessehnen-Probleme, diese Saison haben Sie nur zwei Championship-Spiele bestritten. Gegen Winterthur hatten Sie sich wieder verletzt. Liegt das am Alter?
Nein, die Situation heute ist eine andere als in Norwich. Mein Körper funktioniert, das haben die ersten Spiele gezeigt. Ich bin mega happy mit dem Start bei YB. Auch weil man gesehen hat, dass ich das Fussballspielen nicht verlernt habe (lacht). Ich habe mich gegen Winterthur zum Glück rechtzeitig auswechseln lassen. Es war nur eine kleinere Zerrung.  

Welche Verletzungen plagten Sie denn seit Sommer in England?
Es waren viele kleinere Geschichten. Zuerst hatte ich Wasser im Knie, das nicht rausging, dann kam etwas Muskuläres im hinteren Oberschenkel links. Es war nie etwas Gravierendes, aber Dinge, die dich drei, vier Wochen komplett rausnehmen. 

War das bloss Pech?
Schwierig zu sagen. Ich kann mir sicherlich nicht vorwerfen, dass ich mehr hätte machen müssen, um wieder gesund zu werden. Aber ich glaube schon irgendwie daran, dass das eine Kopfsache sein kann. 

Wie meinen Sie das?
Ich habe mich sehr wohl gefühlt in Norwich, das ganze Abenteuer hat mir sehr gefallen. Aber ich war verletzt, als der neue Trainer kam. Ich konnte nie wirklich eine Verbindung zu ihm aufbauen – und der Umgang mit den Verletzungen war speziell.

Inwiefern?
Wir hatten hervorragende Bedingungen bei Norwich. Das Trainingsgelände war der Hammer, sie hatten gerade ein neues Recovery-Center eröffnet mit einem grossen Pool mit Laufband im Wasser. Vielleicht litt unter den Bedingungen ein bisschen der Drang, so schnell wie möglich auf den Rasen zurückzukehren. Mit der Verletzung hatte ich zudem eine Erklärung, warum ich nicht spiele. Das sind Überlegungen, die ich mir im Nachhinein gemacht habe. 

Wenig erstaunlich, dass das Interesse von YB irgendwann bei Ihnen auf offene Ohren stiess. 
Ich war mit Steve und Wuschu (Sportchef Steve von Bergen und Christoph Spycher, Anm. d. Red.) immer in Kontakt, auch bevor sie mich zurückholen wollten. 

Wann begann das Interesse konkret zu werden?
Im Sommer. Da habe ich aber noch ganz klar abgewunken. Ich wollte unter Johannes Thorup, dem neuen Trainer, noch einmal angreifen. 

Und dann?
Sie kamen mich im November besuchen. Wir gingen zusammen essen. Es war ein Abtasten. Was ist ihre Vision, was meine. Da wurde mir klar, dass ich Antworten brauche. 

Von wem?
Von meinem Trainer bei Norwich. Ich musste von ihm wissen, was geschieht, wenn ich gesund bin. Habe ich eine Chance? 

Also suchten Sie das Gespräch? 
Ja. Eigentlich wollte ich mich durchbeissen. Ich hätte noch ein halbes Jahr Vertrag gehabt. Aber sie sagten mir, dass sie zusätzlich einen jüngeren Spieler holen werden und meine Möglichkeiten schlecht stünden. In einer solchen Situation zu dem Verein zurückkehren zu können, mit dem man die grössten Erfolge gefeiert hat, ist ein Privileg. 

Wobei sich die Situation von YB ja schon verändert hat. 
Es läuft nicht wie gewohnt. Aber YB ist immer noch amtierender Meister und hat in der Champions League gespielt. Zudem können wir den Karren immer noch herumreissen. 

Aber es ist eine Tabellensituation, die Sie mit YB so nie erlebt haben. 
An der Philosophie und am Anspruch haben sich bei YB aber nichts verändert. Klar, ein Teil der Mannschaft ist anders, der Trainer hat gewechselt und YB ist in der Tabelle nicht da, wo es hingehört. Bayern ist letztes Jahr auch nicht Meister geworden, City schafft es dieses Jahr vielleicht nicht. Deswegen darf man diese Vereine nicht gleich abschreiben. Genauso wenig, wie man uns abschreiben sollte. 

Bern ist für mich Heimat
geworden.

Christian Fassnacht


Sobald Sie, Chris Bedia und Rayan Raveloson spielten, hatte man als Zuschauer das Gefühl: Das ist das YB von früher. Aber dann kam die Niederlage gegen Tabellenschlusslicht Winterthur. 
Früher hätten wir vielleicht ähnlich gespielt, dann aber 1:0 gewonnen. Jetzt haben wir drei hervorragende Spiele gemacht und das vierte verloren. Wäre das zu Beginn der Saison passiert, dann wären wir immer noch vorne dabei. Aber uns fehlen die Punkte, die wir in der Vorrunde nicht geholt haben. Wenn man so tief im Seich steht wie wir, dann darf man ein solches Spiel nicht verlieren. 

Wie kommt es trotzdem dazu?
Es ist eine Kopfsache. Sobald wir ein bisschen nachlassen, reicht es nicht mehr. Wir können alle schlagen, aber wir müssen 100 Prozent da sein. Wie in den Spielen davor und zuletzt gegen Lugano.

Welche Dynamik bringt der Sieg in die Mannschaft?
Er tut sehr gut. Wir wollten diesen Sieg unbedingt, deshalb warfen wir gegen Ende des Spiels alles nach vorne. Die drei Punkte geben uns als Team sicher viel Energie im Hinblick auf das Cupspiel vom Donnerstag und die weiteren Spiele in der Meisterschaft.  

Es sind jetzt nur 5 Punkte auf die Spitze. Ist der Titel nun wieder ein Thema?
Wir sind nun erstmals in dieser Saison überhaupt in den Top 6. Wir schauen jetzt nicht zu sehr auf die Tabelle, sondern arbeiten demütig weiter.

Schauen wir nach vorne. Am Donnerstag wartet der FCZ im Cup-Viertelfinal. 
Ich wurde unlängst gefragt, ob ich lieber die Meisterschaft oder den Cup gewinne. Meine Antwort ist klar: die Meisterschaft. Den Cup kann man auch in einer schlechten Saison gewinnen. Im Cup sind es sechs Runden, die man überstehen muss, um am Schluss einen Pokal zu stemmen. So kann man auch eine verkorkste Saison einigermassen retten. Gut möglich, dass es für uns diese Saison so kommen könnte.  

Kurz zu Ihnen privat: Vor Ihrem Wechsel zu Norwich wohnten Sie mit Ihrer Frau in Gerlafingen. Unterdessen sind Sie Eltern geworden. Wo leben Sie heute?  
Wir haben noch kein Daheim und wir werden uns diesbezüglich auch Zeit lassen. Meine Möbel und alles andere sind noch in England. Das heisst wir leben momentan noch im Hotel. 

Mit Frau und Kind?
Ja, und ab und an sind die beiden bei unserer Familie in Zürich.

Sie leben seit über einen Monat im Hotel?
Wenn ich alleine wäre, hätte ich mich mit Sicherheit schon entschieden (lacht). Ich kenne die Gegend ja bestens, aber die Ansprüche, die man mit einem Kind hat, sind halt schon speziell. Wir möchten gerne ein bisschen Garten, eine ruhigere Gegend.

Sie sind in Zürich aufgewachsen, haben in Bern aber Ihre grössten Erfolge gefeiert. Wo schlägt Ihr Herz – Zürich oder Bern?
In Bern. Das ist für mich Heimat geworden. Logisch, meine Familie und die Familie meiner Frau leben in Zürich. Aber ich kenne Bern mittlerweile auch besser als Zürich, verbringe mehr Zeit hier.

Foto: Daniel Zaugg, Text: Sébastian Lavoyer

PERSÖNLICH

Christian Fassnacht geboren 1993 in Thalwil, verheiratet und Vater einer Tochter. Fassnacht spielte in seiner Jugend für den FC Thalwil und den FC Zürich. Zur Saison 2017/18 wurde er vom BSC Young Boys verpflichtet und steuerte elf Tore und sieben Vorlagen zum ersten Meistertitel des Vereins seit 32 Jahren bei. Im Sommer 2023 wechselte Fassnacht zum englischen Zweitligisten Norwich City. In der Winterpause der Saison 2024/25 kehrte er mit einem Vertrag bis Ende Saison 2026/27 zu YB zurück.

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