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Pinto-Chef Silvio Flückiger zur Situation auf der Schützenmatte

«Vieles passiert, wenn wir schon weg sind»

Silvio Flückiger arbeitet seit 2005 für Pinto. Foto: Daniel Zaugg

Die Sicherheitslage auf der Schütz hat sich deutlich verschlechtert. Woran das liegt, ob es jetzt mehr Polizei braucht und wer momentan vor Ort nach dem Rechten schaut, erklärt Pinto-Chef Silvio Flückiger.

Silvio Flückiger, die Schützenmatte ist Ihnen derzeit also zu gefährlich. So stand es jedenfalls in verschiedenen Medien. Ist diese Aussage korrekt?
(schmunzelt) Nein, das ist sie nicht. Aber es stimmt, dass es letztes Jahr zu einigen sehr heiklen Situationen auf der Schütz kam. Konkret wurde jemand mit einem Messer angegriffen.

Wer genau wurde attackiert?
Ich selbst. Deshalb haben wir danach die Präsenz auf dem Areal reduziert, namentlich in den Abendstunden. Doch wir sind und waren immer regelmässig auf der Schützenmatte präsent.

Ist es dann besonders gefährlich?
Wir merken bei Gruppen oder einzelnen Personen normalerweise rasch, ob jemand gesprächsbereit ist oder nicht. Auf einmal häuften sich Situationen, in denen wir uns ganz normal mit den Leuten unterhielten – bis die Stimmung urplötzlich kippte. Dies machte eine Einschätzung der Gesprächsbereitschaft schwierig. Der Messerangriff passierte nur einmal, doch wir erlebten auch sonst heikle Momente. Daher hielten wir zu manchen Personen oder Gruppen in dieser Phase einen Sicherheitsabstand.

Die Tamedia-Zeitungen sprechen von einer «desolaten Sicherheitslage» auf der Schütz. Woran liegt es, dass es teilweise eskalierte?
(überlegt) Eine schwierige Frage. Es spielen mehrere Faktoren mit rein. Zum einen hat die Zahl jener, die Kokain konsumieren, zugenommen; hinzu kommt neu Pregabalin, eigentlich ein Medikament gegen Angststörungen. Wird es hingegen geschnupft, kann es ein stark aggressives Verhalten auslösen. Bei vielen ist Alkohol im Spiel.

Und sonst?
Ganz generell ist die Schütz ein Ort, an dem Menschen von unterschiedlichster Herkunft, Alter und Einstellung zusammentreffen und sich gerne dort aufhalten. Das ist eine schöne Qualität, die der Ort bietet. Einige haben einen Migrationshintergrund und gelangten vielleicht mit Vorstellungen in die Schweiz, die dann nicht erfüllt wurden. Sie sind frustriert und reagieren ablehnend auf Personen, selbst wenn diese ihnen helfen möchten. Allgemein beobachten wir, dass die Bevölkerung reizbarer geworden ist. Ein dritter Faktor ist die veränderte Organisation des Drogenhandels.

Was meinen Sie damit?
Früher waren Dealer tendenziell in grösseren Gruppen organisiert. Heute agieren sie oft alleine und stehen in direkter Konkurrenz zueinander, was zu Konflikten führt.

Bräuchte es auf der Schütz mehr Polizei?
Ist Gewalt im Spiel, wird als Erstes die Polizei gerufen, das ist normal und auch richtig so. Der Punkt ist: Tauchen Beamte in Uniform auf, ergreifen nicht wenige Verdächtige die Flucht. Daher kann die Polizei das Problem nicht alleine lösen, dafür ist die Situation zu komplex.

Sondern?
Es braucht eine Kombination verschiedenster Faktoren, die Polizei ist einer davon. Seit 2022 kontrolliert der private Sicherheitsdienst Samson Security die Lage vor Ort regelmässig und hat eine hohe Akzeptanz auf dem Platz – private Sicherheitsdienste haben den Vorteil, dass sie länger vor Ort patrouillieren können als die Polizei. Das kann einer der Puzzlesteine sein, die zu einer Verbesserung führen. Daneben braucht es unter anderem bauliche, belebende und soziale Massnahmen.

Was haben die Möblierung des Platzes sowie die helle Bemalung des Eisenbahnviadukts konkret gebracht?
Bauliche Massnahmen sind ein geeignetes Mittel, denn sie bringen Kontinuität. Das Areal wirkt heller, freundlicher, einladender. Andererseits sprechen wir hier von Dingen, die sich mittel- bis langfristig auszeichnen und von den Menschen erst einmal akzeptiert werden müssen. Persönlich würden wir es sehr begrüssen, wenn auf der Schütz mehr Veranstaltungen stattfinden würden. So vermischt sich das Publikum rasch und auf eine positive Weise. Das war bei den Konzerten im Sommer 2023 gut zu beobachten.

Inwiefern trägt die Reitschule eine Mitverantwortung an der Situation?
Sie hat auf den Perimeter selbst wenig Einfluss – anders sieht es beim Vorplatz aus, wo die Reitschule direkt Einfluss nehmen kann.

Was wäre aus Ihrer Sicht nun also zu tun?
Manchmal benötigt es schlicht Geduld, bis gewisse Massnahmen greifen. Wir wollen ja alle das Gleiche: Die Schütz soll ein lebendiger Ort sein, an dem alle willkommen sind. Wir sollten uns auf Lösungen konzentrieren und gemeinsam daran arbeiten, die Situation nachhaltig zu verbessern.

Wie präsentiert sich denn die Lage aktuell?
Sehr unterschiedlich. An gewissen Tagen haben wir das Gefühl, wir seien quasi alleine da und es ist äusserst ruhig. Ist die Gassenküche Medina präsent, herrscht eine wirklich angenehme, friedliche Stimmung rund um das Angebot. Und dann sind da eben die aggressiven Momente. Dazu muss gesagt werden, dass wir aufgrund unseres Schichtbetriebs nur bis um etwa 23 Uhr auf der Schütz sind. Vieles passiert allerdings danach.

Wie häufig sind Sie aktuell auf der Schütz präsent?
Fast täglich. Sonntags sind wir nicht im Einsatz, sonst jedoch immer. Einen Auftrag, täglich hingehen zu müssen, haben wir zwar nicht. Doch wir tun es, weil wir es möchten.

PERSÖNLICH

Silvio Flückiger, Jahrgang 1971, arbeitet seit dem 1. April 2005 für Pinto. Er ist Quereinsteiger: Er war zuvor selbstständiger Journalist und leitete eine Firma im Bereich Team- und Leadership Development. Flückiger ist es wichtig, dass Pinto nicht als städtische Interventionstruppe, sondern korrekterweise als aufsuchende Sozial- und Konfliktarbeit im öffentlichen Raum bezeichnet wird.

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