Jungstar Lucky Wüthrich (27) tauft sein hervorragendes zweites Album «My Kind Of Music» mit einem Konzert in der ausverkauften Mühle Hunziken.
Wann haben Sie realisiert, dass der Blues Ihre Musik ist?
Ich war 13 Jahre alt, hatte vorher hauptsächlich Rockmusik gehört und den «Blues Brothers»-Film gesehen, als meine Gotte sagte, sie nähme mich mal an ein richtiges Konzert mit. So sah ich, wie Philipp Fankhauser im Bierhübeli Shuffle Blues spielte, und wusste danach, dass Blues etwas sehr Magisches hat!
Trotzdem hat diese Musik hauptsächlich ein ü50-Publikum. Auch ein Jungstar mit lausbubenhaftem Charme wie Sie?
Kürzlich kamen nach meinem Konzert am Jazzfestival in Zweisimmen zwei ältere Besucher auf mich zu und fragten, weshalb nicht mehr jüngere Leute auf Blues stehen würden. Leider ist es mir bisher noch nicht gelungen, die Barrieren zu sprengen. Auch deshalb habe ich mich auf meinem zweiten Album stilistisch geöffnet. Mein Ziel ist es, dass mir die älteren Fans erhalten bleiben und jüngere dazukommen.
Welche Ihrer Idole leben noch, welche sind bereits im Blues-Himmel?
Die klassischen alten Chicago Blueser sind leider am Aussterben, aber es gibt junge Talente wie den Amerikaner Jontavious Willis, der schon mit Keb’ Mo’ und Taj Mahal spielte und bei mir zuhause auf dem Balkon sass! (Lacht)
Wie kam es dazu?
Als er eine Woche lang in «Marians Jazzroom» auftrat, erkundigte er sich beim Veranstalter, ob es in Bern einen Blueser gebe, mit dem er mal jammen könnte, und bekam meine Telefonnummer.
Weshalb sind Sie vor sechs Jahren von Thun nach Bern gezogen?
Nachdem ich 21 war und meinen Zivildienst absolviert hatte, wusste ich, dass ich nicht länger zuhause wohnen und zum Studium an der Jazzschule in Bern pendeln wollte. Seither lebe ich in einer WG im Inselquartier. In dem Haus, in dem es noch weitere WGs gibt, haben wir viel Platz und teilen uns einen Garten. Praktisch ist die Nähe zum Bahnhof, da ich viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin.
Wie würden Sie Ihre Art der Musik auf «My Kind Of Music» beschreiben?
Der Albumtitel ist der Rahmen, in dem ich mit einer vollen Farbenpalette ein grosses Bild gemalt habe. Blues ist mein ganz tiefes Fundament, aber ich will auch herumexperimentieren und andere Stile einbauen. Leute wie John Mayer, Marcus King, Gary Clark Jr., die den Blues tief im Herzen tragen, sind ebenfalls unglaublich offen für andere Stilrichtungen und neue Einflüsse.
Wie ist die Gitarre zu Ihrem Instrument geworden?
Ursprünglich wollte ich Schlagzeuger werden, doch meine Mutter sagte immer, das käme gar nicht in Frage, wir würden in einem Block leben! (Lacht) Als ich dann Angus und Slash von AC/DC und Guns’n’Roses hörte, fand ich mich damit ab und begann Gitarre zu spielen. Nun sind es schon 18 Jahre, aber ich bin noch längst nicht dort, wo ich hinmöchte.
Ihr Gitarrenspiel verblüfft jedoch ebenso wie Ihre dunkle Stimme. Traut man die Ihnen überhaupt zu?
Ich hatte schon amüsante Erlebnisse. Wenn ein Techniker beim Soundcheck nicht glauben konnte, dass einer wie ich eine solche Stimme hat, oder eine afroamerikanische Tänzerin, die bei einem Blues-Workshop im Nebenraum unterrichtet hat, und erchlüpft, als sie rüberkommt, weil sie dachte, ich sähe ganz anders aus. Das freut mich dann schon!
War Ihr Mentor Philipp Fankhauser in die Produktion des zweiten Albums involviert?
Er wäre wieder Koproduzent gewesen und hätte es auf seinem Label herausgebracht. Aufgrund seiner Erkrankung und der notwendigen Operation musste er sich jedoch komplett herausnehmen und ich mich neu organisieren. Ich habe die Songs dann zusammen mit Manuel Halter, dem musikalischen Leiter von Luca Hänni, in Ostermundigen produziert.
Wie ist es Ihnen gelungen, die hohen Erwartungen nach dem vielgelobten Debütalbum zu erfüllen?
Zuerst machte ich strategische Überlegungen: In welche Richtung will ich gehen und was für Songs machen? Je länger, desto mehr hat mich dieses Denken blockiert. Ich habe mich darauf für etwa zwei Monate zuhause von der Aussenwelt abgeschottet, das Handy – mehr oder weniger – abgestellt und war ganz für mich. So konnte ich auch in dieser schnelllebigen Zeit so tief in die Welt der Musik einzutauchen, dass organisch ein Song nach dem anderen entstanden ist.
Besonders schön sind die souligen Balladen «I’ll Be Alright» und «Proud Of You», die nicht nur Schmerz ausdrücken, sondern auch Hoffnung.
Es ist lustig, dass die meisten Leute bei diesen Songs das Gefühl haben, alles wäre gut. Aber eigentlich sind das die traurigsten Geschichten dieses Albums. «Proud Of You» habe ich für einen guten Freund geschrieben, der in Kindertagen missbraucht wurde. Ich bin stolz darauf, dass er nach all den Jahren der Scham und Ohnmacht endlich darüber reden konnte, was ihm angetan wurde. Bei «I’ll Be Alright» erzähle ich im Text, wie schön es ist, dass ich mich so sehr verliebt habe, aber im Refrain sage ich, «Wenn Du mich nicht willst, sag es einfach. Dann bin ich weg und komme damit schon klar.» Darin liegt schon einiges an Schmerz.
Was ist aus dieser Liebe geworden?
Nur drei Songs. Ich habe mir später überlegt, weshalb ich diese unglückliche Verliebtheit erleben musste, und kam zum Schluss, dass ich eben Songmaterial gebraucht habe … (Grinst) «I’ll Be Alright» handelt von den Gefühlen, wenn Du dich verliebst, «Keep It On Ice» über die Zeit, wenn Du warten musst, und «Able To Love» von der Frage, ob Du je wieder fähig sein wirst, jemanden zu lieben.